Erinnerungen an die Inselbahn 1975-1980

In der Zeit von 1975 bis 1980 hatte ich das Glück, jeden Sommer die Ferien mit meiner Familie auf Langeoog zu verbringen. Das erste Mal war ich gerade sechs Jahre alt. Die Inselbahn hat mich mit ihren Triebwagen sofort in den Bann gezogen. Und bei schlechtem Wetter, wenn »Strandbefreiung« vorlag, habe ich stundenlang dem Betrieb am Bahnhof zugeschaut und alle Details in mich aufgesogen. Diese Erinnerung ist immer recht frisch geblieben. Hier ein Auszug davon:

Foto: Martin Kursawe Foto: Jens Grünebaum Foto: Dieter Riehemann
Der Triebwagenpark der Inselbahn Langeoog bis zum Jahre 1980: VT 1 und VT 2 wurden beide bei Talbot in Aachen gebaut und sind auch heute noch erhalten. VT 3 (rechts) kam 1976 dazu und wurde in Heidelberg bei Fuchs gebaut.

Bei dem ersten Besuch 1975 war der Regelzug noch mit den beiden VTs 1 und 2 bespannt, wobei VT 1 stets in Fahrtrichtung Hafen und VT 2 in Fahrtrichtung Ort an der Zugspitze eingestellt war. Bei Abfahrt im Ortsbahnhof wurden die beiden Motoren von VT 1 angelassen, dann folgte der »Abfahrtspfiff« des Zugführers. Nach dem Betätigen des Signalhorns (oder war es die Klingel??) hörte man ein ca. zwei- bis dreisekündiges »Röhren«. Nach meiner Vermutung handelte es sich dabei um ein typisches Geräusch des Getriebes bzw. der Kupplung. Das »Röhren« trat auch während der Fahrt beim Hochschalten auf. Wie bekannt ist, verfügte der VT 1 über das Myliusgetriebe mit der sogenannten »Klaviertastatur«: Fünf dicke Tasten, die mittig im Armaturenbrett angebracht waren. Nach meiner damaligen Beobachtung wählte der Fahrer damit einen Gang vor und kuppelte bei Bedarf ein. Hierbei kam es dann immer zu dem »Röhren«. Hierzu lassen ich mich von Profis aber gerne eines Besseren belehren.

Besonders interessant war es immer, das Rangiermanöver bei Betriebsschluß im Bahnhof zu verfolgen. Leider kollidierte dies des Öfteren mit der Abendbrotszeit im Ferienhaus. Trotzdem erinnere ich mich an folgenden Ablauf noch sehr genau: Nach Aussteigen der letzten Fahrgäste im Ortsbahnhof wurde VT 2, der den Zug in den Ort zog, abgekuppelt und zog ein Stück vor, hinter die fast am Bahnsteigende liegende Weiche zum Parallelgleis. (Diese Weiche ist mittlerweile nicht mehr vorhanden). VT 2 »überholte« dann den Zug auf dem Parallelgleis und setzte sich vor VT 1. So fuhr der Zug dann in den mittleren der drei Fahrzeugstände der Wagenhalle, die damals nur etwa halb so lang war wie heute. Vor der Halle wurde dann der Zug nach dem Gepäckwagen (gelber Wagen 8) abgekuppelt und abgestellt, die beiden VTs und der Gepäckwagen übernachteten in der Wagenhalle.

Foto: Lutz Riedel Foto: Archiv Ulrich Upplegger
Kö 1 und Kö 3 besorgten lange Jahre gemeinsam mit der Reservelok Kö 2 den Rangier- und Güterzugdienst. Kö 1 ist auch heute noch aktiv, wurde aber aufwändig umgebaut und modernisiert.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Kö 1 (II) mit den drei Wagen der Steinhuder Meerbahn im vom Bahnhof aus gesehen linken Fahrzeugstand untergebracht. Was sich zu dieser Zeit im rechten Fahrzeugstand tummelte, ist mir nicht erinnerlich. Wahrscheinlich stand die damals noch in Betrieb befindliche Kö 2 ganz rechts. Die DR 1 war zumindest später immer in der Ladehalle des Bahnhofs abgestellt. Die Kö 3, die zu dieser Zeit nach meiner Erinnerung den Rangierdienst allein versah, stand vor Kö 1 im linken Fahrzeugstand. Es sah vom Bahnhof aus immer sehr beeindruckend aus, wenn Kö 3 rückwärts vor Kö 1 setzte, denn auf die Entfernung konnte man sich nicht vorstellen, daß die noch davor paßt. Aber das Tor ging regelmäßig runter, ohne das Kö 3 Schaden nahm!

Die paar Mal, die ich die Kö 2 fahren sah, waren immer große Momente. Damals war sie noch rot, und man konnte ihren Kuppelstangen bei der Arbeit zusehen.

Ab 1976 war dann ja der VT 3 da, der den VT 2 im Plandienst ersetzte, und mit ihm die beiden VB 5+6. Bei Betriebsende spielte sich nun folgendes ab: Der Zug fuhr mit VT 1 an der Spitze in den mittleren Fahrzeugstand ein. Dort stand bereits VT 2 am Ende. Es »langte« daher wiederum nur für VT 1 und den jetzt neuen Gepäck-Flachwagen. Der Rest des Zuges mußte draußen bleiben. Dann aber wurde nach den VB 5+6 abgekuppelt, und VT 3 setzte rückwärts, mit den beiden VB voraus, in den rechten Stand ein.

Ich erinnere mich, daß ich das Personal damals fragte, was man denn nun mit dem VT 2 mache. Man entgegnete mir, dies sei jetzt der »Leichenwagen«. Ob dies stimmt oder nur bei einen kleinen nervenden Jungen Schaudern hervorrufen sollte, weiß ich nicht…

Später hat ja dann der VT 2 mit dem von Juist kommenden und mit dem VT 1 baugleichen VT 4 seine ursprüngliche Aufgabe wieder aufgenommen, wenn auch nur als »Unterstützer«. Das habe ich aber leider nie gesehen, denn 1980 endeten die regelmäßigen Urlaube auf Langeoog. Tagsüber war es oft so, daß der Zug am Hafen zurückgelassen wurde und VT 3 leer zum Ort kam.

Der Rangierdienst wurde später hauptsächlich mit der Kö 1 (II) abgewickelt. Interessant war dabei immer das Umsetzen auf dem Ausweichgleis vor der Ladehalle. Beim Einfahren in die Ladehalle stand man am Bahnsteig auf gleicher Höhe wie der Lokführer, und wenn es von der Wagenlänge her paßte, konnte man aus nächster Nähe einen Blick in den Führerstand werfen. Große Momente!!

In einem wohl sehr regnerischen Sommer hatte ich mich mit einem Lokführer der IBL ein bißchen angefreundet, und als Highlight durfte ich bei Betriebsschluß mit in die Wagenhalle einfahren und bei Tanken zuschauen, ferner einen Blick auf die Kö 2 aus nächster Nähe werfen.

Im Jahr 2000 kehrte ich dann voller Erwartung nach Langeoog zurück und war dann doch sehr enttäuscht, statt der geliebten VTs die beiden neuen Züge zu sehen. Sie sind zwar sehr schön, aber einfach zu perfekt und nicht wirklich »echt« in ihrem Retro-Design. Aber natürlich ist dies immer noch tausendmal besser, als wenn die IBL das Schicksal fast aller anderen Bahnen ereilt hätte. Dennoch hätte man vielleicht wenigstens einen VT behalten können. VT 2 habe ich wohl gerade verpaßt. Der »Leichenwagen« hatte die Insel ein Jahr vorher erst verlassen.

Vielleicht sind ja die jetzigen Wagen und Loks in ein paar Jahren auch nicht mehr so perfekt, wie sie jetzt wirken, und die Geschichte wiederholt sich.

So ganz bin ich den Virus nicht mehr losgeworden, seit einigen Jahren genährt und aufgefrischt durch die tolle Seite von Malte Werning. Ich habe mich dann während dem Studium und auch jetzt noch bei mir um die Ecke mit der Nerobergbahn getröstet, die ich bis heute ab und zu noch fahre. Die fährt aber leider mit Wasser. Um dem Diesel nahe zu sein, blieb mir nur der Busführerschein.

Irgendwann, wenn Zeit, Platz und Geld es erlauben, plane ich eine Modellbahnanlage mit Vorbild der IBL. Anregungen sind unter info@ra-weger.de gerne willkommen!

Christian Weger

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