Geschichte

86 bei Bansin. Foto: Detlef Winkler
Eine der typischen Usedomer 86er mit Witte-Windleitblechen bei Bansin, Juli 1972. Foto: D. Winkler

Die Insel Usedom besitzt eine klassische Bäderbahn – 1825 bereits begann der Badebetrieb auf der Insel. Zu Kaiserzeiten wurden Heringsdorf, Ahlbeck und Bansin als »Badewanne Berlins« bekannt und wurden regelmäßig von der kaiserlichen Familie besucht. Entsprechend groß war der Anspruch auch an die Eisenbahn als Transportmittel, und dementsprechend war auch der Aufwand, der 1876 bei der Eröffnung der ersten nach Usedom führenden Strecke betrieben wurde. Für die verkehrliche Erschließung der Insel selbst benötigten die Bahnbauer einige Jahre, denn erst 1894 und 1911 wurde die heutige Stammstrecke auf Usedom in zwei Schritten von Ost nach West erbaut. Die Zweigstrecke nach Peenemünde entstand erst durch die auf Usedom angesiedelte Heeres-Versuchsanstalt des Dritten Reichs.

Der Zweite Weltkrieg trennte Usedom dann vom Schienennetz der DDR-Reichsbahn. Eisenbahnfahrzeuge mussten künftig mittels einer provisorischen Trajektierung bei Wolgast zwischen der Insel und dem Festland ausgetauscht werden. In den Wendejahren schien das Schicksal der Bahn auf Usedom dann fast besiegelt: Kaum Fahrgastaufkommen, schlechter Streckenzustand (trotz 1977 erfolgter Sanierung), immer noch behelfsmäßiger Betrieb und weitgehende Perspektivlosigkeit. Die RBD Schwerin stellte 1992 den Stillegungsantrag.

Es ist einigen Visionen und einer ungeheuren finanziellen Kraftanstrengung zu verdanken, dass die drohende Gesamtstillegung der Usedomer Inselbahn abgewendet werden konnte. Das war auch gut so, denn der Insel Usedom drohte nun durch den stark zunehmenden Autoverkehr, der sich über die beiden behelfsmäßigen Zufahrten auf die Insel quälte, ein absoluter Verkehrskollaps. 1993 wurden die lokbespannten Züge größtenteils abtransportiert und im Rahmen eines zum 1. April 1993 beginnenden »Projekts Usedom« durch modernisierte Schienenbusse der Baureihe 771/971 ersetzt (siehe Fahrzeuge > 1995-2001), die fortan im Stundentakt auf die Strecke geschickt wurden. 1994 wurde die Usedomer Bäderbahn GmbH (UBB) als Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG gegründet, die – losgelöst von der Struktur des Mutterunternehmens – eigenverantwortlich die Geschicke der Inselbahn leiten sollte und die Bahn 1995 übernahm.

Heute betreibt die UBB äußerst erfolgreich ein gut organisiertes Eisenbahnnetz, das sich trotz großer Autokonkurrenz zu einem sehr attraktiven und akzeptierten Verkehrsmittel gemausert hat. Wer hier heute Bahn fährt, kann kaum noch erahnen, welchen schweren Weg die Eisenbahn auf Usedom nehmen musste, um den heutigen Zustand zu erreichen. Und die EU-Aufnahme Polens wird künftig weitere Wendungen in der Geschichte dieser Bahn bereithalten. Entsprechende Würdigungen als vorbildliches Bahnunternehmen erhielt die UBB bereits mehrfach.

Die wichtigsten Eckdaten der Eisenbahnen auf Usedom sind in der nachfolgenden Zeittafel aufgeführt.

Zeittafel

01.11.1863 Eröffnung der Strecke Züssow - Wolgast mitsamt der Verbindung Berlin - Stralsund durch die Berlin-Stettiner Eisenbahn-Gesellschaft.
15.05.1876 Eröffnung der abzweigenden Strecke Ducherow - Swinemünde Hbf mit Überbrückung des Peenestroms bei Karnin auf einer Drehbrücke.
01.01.1879 Die Berlin-Stettiner Eisenbahn-Gesellschaft wird verstaatlicht und geht in den Königlich Preußischen Staatseisenbahnen auf.
01.07.1894 Eröffnung der Strecke Swinemünde Hbf – Heringsdorf als Nebenbahn.
01.06.1911 Eröffnung der Nebenstrecke Heringsdorf – Wolgaster Fähre. Am neuen Endpunkt besteht Fähranschluss zum Wolgaster Ufer.
1920 Das Schienennetz aus Usedom geht in den Reichseisenbahnen (ab 1924: DRG, ab 1937: DRB) auf.
12.1933 Eröffnung der neuen Hubbrücke bei Karnin. Die bislang hier aktive Drehbrücke wird abgebaut. Sinn der Maßnahme ist die deutliche Beschleunigung der Strecke, denn das neue Bauwerk darf mit 100 km/h befahren werden.
28.07.1937 Eröffnung der nichtöffentlichen Strecke Zinnowitz – Peenemünde als Anschlussbahn der Peenemünder Heeres-Versuchsanstalt.
15.04.1943 Umstellung der Anschlussbahn Zinnowitz – Peenemünde auf elektrischen Betrieb. Inbetriebnahme eigens beschaffter S-Bahn-Wagen für den Werksverkehr.
28.04.1945 Flüchtende deutsche Truppen sprengen die Karniner Vorflutbrücken. Usedom ist damit vom übrigen Schienennetz der Reichsbahn abgetrennt.
12.1945 Aufnahme eines Trajektverkehrs Wolgast – Wolgast Hafen, um die zerstörte Karniner Brücke zu umgehen. Durch die neue Grenzziehung liegt Swinemünde und ein beträchtlicher Teil der Strecke Ducherow – Swinemünde nun auf polnischer Seite.
ab 1947 Lokeinsatz der Baureihe 56.2-8. Die Lok 56 765 wurde als einzige Lok ihrer Gattung mit selbstgebauten Witte-Windleitblechen ausgerüstet.
1949 Übernahme des Usedomer Streckennetzes durch die Deutsche Reichsbahnn (DR).
22.05.1955 Aufnahme des öffentlichen Verkehrs auf der Strecke Zinnwitz – Peenemünde. Der Oberleitungsbetrieb endete hier allerdings bereits 1946.
1965 Probeeinsatz der Loks 64 209 und 64 211, wegen Schleuderneigung bei größeren Zuglasten abgebrochen.
1966 Einsatz der Loks der Baureihe 86, welche sich durch die im Bw Heringsdorf angebauten Witte-Windleitbleche von den Maschinen dieser Baureihe auf dem Festland unterschieden.
1974 Die »Verdieselung« der Strecke wird mit dem Einsatz von 110 380 und 110 419 im Personenzugdienst und von 106 322 und 106 632 im Rangier- und Güterzugdienst begonnen. Die Einsätze der Baureihe 86 enden daraufhin bald.
01.12.1990 Ende des Gütertrajektverkehres über den Peenestrom zwischen Wolgast – Wolgast Fähre. Die Trajektfähre Stralsund kann seit 1986 selbst nur noch mit einem Bugsierschlepper bewegt werden.
31.12.1991 Die Trajektfähre Stralsund wird offiziell aus dem Dienst genommen, nachdem die Maschinenanlage seit fünf Jahren eh nicht mehr funktioniert. Das Schiff geht im Folgejahr in das Eigentum der Stadt Wolgast über, die die Trajetkfähre bis 1997 mustergültig aufarbeitet.
16.05.1993 Als »Vorbote« der künftigen UBB erreichen die ersten modernisierten Schienenbusse (Baureihe 771/971) die Insel. Hierfür muss die eigentlich bereits ausgediente Stralsund erneut reaktiviert werden und kommt bis 1995 fallweise zum Einsatz.
01.06.1995 Übernahme des Usedomer Streckennetzes durch die bereits 1994 gegründete DB AG-Tochter Usedomer Bäderbahn GmbH (UBB).
08.06.1997 Wiedereröffnung des Abschnitts Ahlbeck – Ahlbeck Grenze.
22.05.1999 Eröffnung des restaurierten Museumsbahnhofs Karnin an der ehemaligen Strecke Ducherow – Swinemünde.
15.05.2000 Der erste von zunächst vierzehn Neubautriebwagen der Baureihe 946.1/646.1/946.6 wird abgenommen und auf Usedom eigesetzt. In der Folge werden die Schienenbusse der Baureihe 771/971 schrittweise abgestellt.
26.05.2000 Eröffnung der neuen Eisenbahn-Klappbrücke von Wolgast. Damit kann Usedom wieder ohne das Trajektieren von Eisenbahnfahrzeugen auf der Schiene erreicht werden. In dem Zusammenhang Stillegung des Bahnhofs Wolgast Fähre und Durchbindung der meisten Züge bis nach Züssow an der Strecke Anklam – Stralsund. Nunmehr können auch Fern- und Sonderzüge die Insel erreichen, wenngleich dies auf Grund des dichten Fahrplans auf Ausnahmen beschränkt bleibt.
24.02.2004 Nach 59 Jahren kehrt eine Einheit der elektrischen Peenemünder Werkbahnzüge wieder an ihre erste Dienststelle zurück: Der DB-Triebzug 426 002 und Steuerwagen 826 602 befinden sich nun als Dauerleihgabe des DB Museums in der Obhut des Historisch-Technischen Informationszentrums, das sich auf dem Gelände der ehemaligen Heeres-Versuchsanstalt in Peenemünde befindet.
20.09.2008 Eröffnung der 1,4 km langen Strecke Ahlbeck Grenze – Swinoujscie und damit Wiederanschluss der ehemaligen Stadt Swinemünde an das UBB-Netz. Nach monatelangen Querelen und Vorbereitungen ist die UBB damit das erste deutsche Bahnunternehmen, das in ein Streckennetz in einem anderen Staat investiert. Hierfür wurde eigens das Tochterunternehmen UBB Polska gegründet. Im ersten Jahr benutzen 700.000 Fahrgäste die Verlängerung über die deutsch-polnische Grenze hinweg.
10.12.2017
• Kuhlmann: Eisenbahn auf Usedom. Düsseldorf 1995.
• Kuhlmann: Peenemünde. Das Raketenzentrum und seine Werkbahn. Berlin 1997, 2004.
• Frank, Kenning: Die Usedomer Bäderbahn. Nordhorn 2001. • Angaben von Jörg Meyer.
Beginn des neuen Verkehrsvertrags mit einer Laufzeit von 13 Jahren zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der DB Regio AG, Region Nordost. Die UBB ist seither im Eisenbahnverkehr auf der Insel Usedom nur noch als Infrastrukturunternehmen tätig. Die Triebwagen des Typs GTW 2/6 werden weiterhin auf Usedom eingesetzt.

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